Belästigung im öffentlichen Raum

Unter Belästigung im öffentlichen Raum versteht man sexistische, drohende oder gar gewalttätige Verhaltensweisen, die an öffentlichen Orten stattfinden. Diese können in unterschiedlichen Formen auftreten: anzügliche Bemerkungen, Kommentare über Kleidung, unsittliche Angebote, sexistische, homophobe, rassistische oder religiöse Beleidigungen sowie Drohungen, aber auch Reiben und Berührungen. Das Phänomen kann Verunsicherung und/oder Unbehagen auslösen und die Art und Weise, wie Menschen den öffentlichen Raum nutzen, verändern.

Wie viele andere Städte bleibt auch Freiburg nicht von Belästigung im öffentlichen Raum verschont. Infolge eines Postulats, das 2017 beim Generalrat eingereicht wurde, beauftragte die Stadt Freiburg 2019 die Hochschule für Soziale Arbeit (HSA-FR) mit der Durchführung einer Studie zum Problem. Basierend auf den Ergebnissen dieser Studie (PDF) hat der Sektor für gesellschaftlichen Zusammenhalt einen Aktionsplan erarbeitet, der 2021 umgesetzt wird, sofern der Generalrat das Budget validiert.

Die Studie

Um das Phänomen der Belästigung im öffentlichen Raum in der Gemeinde besser zu kennen und verstehen zu können, beauftragte die Stadt Freiburg im Jahr 2019 die HSA-FR mit der Durchführung einer Studie zu diesem Problem. Die Ziele:

  • das Ausmass, die Formen, die Tageszeiten und die Orte von Belästigungen im öffentlichen Raum identifizieren und analysieren und gleichzeitig die Bevölkerung für das Problem sensibilisieren;
  • ein Inventar bestehender Massnahmen zur Bewältigung des Problems erstellen;
  • die Konzeption zusätzlicher Verbesserungsmassnahmen ermöglichen. Diese Studie, die zwischen 2019 und 2020 durchgeführt wurde, bestand aus zwei Teilen: einer Umfrage in der Bevölkerung und einem "World Café", einem partizipativen Verfahren zum Meinungsaustausch zwischen verschiedenen Akteuren.
Umfrage in der Bevölkerung

Vom 26. August bis am 31. Oktober 2019 wurden eine zweisprachige Kommunikationskampagne und eine Umfrage durchgeführt. Ziel war es, ein besseres Verständnis der aktuellen Situation zu erlangen und gleichzeitig die Bevölkerung für Belästigungen im öffentlichen Raum zu sensibilisieren. Mit Plakaten und anderen Mitteln wurden alle Personen über 14 Jahren, die in der Stadt Freiburg leben oder diese regelmässig besuchen, eingeladen, einen Online-Fragebogen auszufüllen. Die rund 4300 gültigen Fragebögen, die registriert wurden, zeugen vom grossen Interesse der Bevölkerung.

Überlegungen mit den betroffenen Akteuren

In einem zweiten Schritt wurde am 21. Januar 2021 ein "World Café" organisiert. Dieses Treffen, an dem verschiedene von diesem Thema betroffene Verbände und Institutionen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Stadt und des Staates teilnahmen, ermöglichte es, ein Inventar der bestehenden Massnahmen gegen Belästigung im öffentlichen Raum zu erstellen, aber auch Bedürfnisse zu ermitteln und Empfehlungen zu erarbeiten.

Die Ergebnisse

Basierend auf rund 4300 gültigen Fragebögen ergab die Studie der HSA-FR Folgendes:

  1. Vier von fünf der Befragten haben schon eine Form von Belästigung im öffentlichen Raum erlebt. Dabei handelt es sich grösstenteils um junge Frauen und LGBT-Menschen.
  2. Bestimmte Formen von Belästigung im öffentlichen Raum kommen vermehrt an bestimmten Orten vor. Reiben und Berührungen finden am häufigsten in öffentlichen Verkehrsmitteln, Bars, Clubs und an Festen statt. Anzügliche Bemerkungen, Kommentare über Kleidung, unsittliche Angebote, sexistische, rassistische und religiöse Beleidigungen sowie Drohungen und auf der Strasse verfolgt werden kommen hauptsächlich am Bahnhof und im Stadtzentrum, aber auch in den Quartieren vor.
  3. Diese Taten finden zu jeder Tageszeit statt, aber für beide Geschlechter am meisten am Abend. Frauen erleben Belästigung im öffentlichen Raum unabhängig vom Wochentag, bei den Männern passiert es hauptsächlich am Wochenende.
  4. Fast zwei von drei Frauen und einer von zwei Männern, die bereits Belästigung im öffentlichen Raum erlebt haben, haben anschliessend ihr Verhalten geändert, um sich zu schützen (z. B. anderer Weg, keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr oder andere Kleidung).
  5.  Drei Viertel der Personen, die belästigt worden sind, geben an, dass anwesende Zeugen nichts unternommen haben.
  6. Eine Mehrheit der Befragten wurde ausserdem selbst schon Zeuge von Belästigung im öffentlichen Raum. Viele haben jedoch aus Unwissenheit oder Angst nichts getan.

Weitere Informationen finden Sie im Studienbericht der HSA-FR (PDF auf Französisch).

Die Massnahmen

Basierend auf den Ergebnissen der Studie erstellte der Sektor für gesellschaftlichen Zusammenhalt einen Massnahmenkatalog zur Bekämpfung von dieser Art von Belästigung. Die Massnahmen werden ab 2021 umgesetzt, sofern das Budget vom Generalrat genehmigt wird. Der Katalog umfasst sieben Massnahmen:

  1. Austauschplattform: Die Plattform besteht aus Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden, Einrichtungen und öffentlichen Ämtern und trifft sich mehrmals pro Jahr. Sie beteiligt sich an der Erstellung des globalen Konzepts, der Umsetzung von konkreten Aktionen und der Konzeption von Projektausschreibungen.
  2. Projektausschreibungen: Einmal im Jahr wird ein Aufruf zur Einreichung von Projekten veröffentlicht, um die Umsetzung von Massnahmen für Opfer, Zeugen oder Verantwortliche von Belästigung im öffentlichen Raum zu erleichtern. Die Projekte, die vom Gemeinderat auf Empfehlung der Austauschplattform ausgewählt werden, erhalten von der Stadt finanzielle Unterstützung.
  3. Nützliche Adressen: Diese Website zum Thema Belästigung im öffentlichen Raum wird auf die Angebote von Verbänden, Institutionen und Behörden verweisen, die sich mit dem Thema befassen. Sie bietet einen Überblick über die bestehenden Massnahmen im Gemeindegebiet. Gleichzeitig werden diese Informationen in Druckform verbreitet.
  4. Öffentliche Sensibilisierungsmassnahmen: Ab 2022 organisiert die Stadt einmal pro Jahr eine öffentliche Sensibilisierungsmassnahme, z. B. in Form eine Themenwoche oder einer Kommunikationskampagne.
  5. Interne Sensibilisierungsmassnahmen: Die Mitarbeitenden der Stadt, die regelmässig im Kontakt mit der Bevölkerung stehen (z. B. Polizeibeamte), werden zum Thema sensibilisiert.
  6. Partizipative Verfahren: Die Gestaltung bestimmter Orte (Bushaltestellen, Parks, Quartiere usw.) kann dazu beitragen, dass sich alle Benutzer wohl fühlen. Dies wird als inklusiver Zugang zum öffentlichen Raum bezeichnet. Von nun an wird das Thema im Rahmen von partizipativen Verfahren bei Stadtplanungsprojekten besser berücksichtigt.
  7. Datensammlung: Eine Datenerfassung wird in regelmässigen Abständen, grundsätzlich während jeder Legislaturperiode, durchgeführt. Dieses Monitoring wird die Entwicklung im Bereich der Belästigung im öffentlichen Raum zeigen.