Tempo 30: Ergebnisse und Auswirkungen

Seit dem 2. Oktober 2023 gilt in der Stadt Freiburg auf 60 Prozent des Strassennetzes sowohl tagsüber als auch nachts eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h. Ziel dieser Massnahme ist es, die Lärmemissionen durch den Strassenverkehr zu reduzieren. Diese hatten die auf Bundesebene durch die Lärmschutz-Verordnung (LSV) festgelegten Grenzwerte überschritten, obwohl auf einigen Strassenabschnitten in der Gemeinde bereits schallabsorbierende Beläge aufgebracht worden waren.

Die Ergebnisse nach einem Jahr der Anwendung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h sowie die Auswirkungen auf den Strassenlärm, die Verkehrssicherheit und den öffentlichen Verkehr sind auf dieser Seite ersichtlich. Auch die Wirksamkeit der Geschwindigkeitsanzeigetafeln zur Sensibilisierung für das neue Tempolimit wird analysiert.

Theoretische Erinnerung

Die Reduzierung des Strassenlärms war der Hauptgrund für die Einführung der Geschwindigkeitsbegrenzung. Zahlreiche Studien und Publikationen zeigen jedoch noch weitere Vorteile einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h. Insbesondere werden positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, den Verkehrsfluss und die öffentliche Gesundheit genannt. Die Reduzierung der Geschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h hat eine deutliche Verringerung des Strassenlärms zur Folge. Eine Reduktion um 3 Dezibel wird vom menschlichen Ohr als eine Halbierung des Verkehrslärms empfunden. Diese geringere Lärmemission hat auch direkte Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit: weniger Stress, besserer Schlaf und ein niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 

 

In Bezug auf die Verkehrssicherheit bedeutet die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h eine Reduktion schwerer Unfälle. Ein Fahrzeug kommt bei einer Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h nach 21 Metern vollständig zum Stehen, bei 50 km/h erst nach 41 Metern (Cercle Bruit, 2018). Dieser Unterschied kann entscheidend sein, um Unfälle zu vermeiden. Ein Fussgänger, der von einem Fahrzeug mit 30 km/h erfasst wird, hat eine sechsmal höhere Überlebenschance als bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h (BFU, 2023). Je langsamer wir fahren, desto grösser ist unser Sichtfeld. Wir nehmen unsere Umgebung besser wahr und können Gefahren leichter vorbeugen. 

 

In Bezug auf die Fahrzeit gehen die Berechnungen von einer moderaten Verringerung der Durchschnittsgeschwindigkeit von 18,9 km/h auf 17,3 km/h aus. Dies entspricht einer Verlängerung der Fahrtzeit um etwa 10 Prozent. Zu bedenken ist, das die signalisierten Höchstgeschwindigkeiten in der Stadt aufgrund der Verkehrsdichte und dem vielen Anhalten selten erreicht werden.

Verkehr und Luftqualität

Im Rahmen des Forschungsprojekts «ModusSain» analysierte die Hochschule für Technik und Architektur Freiburg die Auswirkungen des Strassenverkehrs auf den Feinstaubanteil (PM2.5) in der Luft an verschiedenen Standorten in der Stadt Freiburg. 

 

Die beiden Grafiken zeigen, dass die Verkehrsspitzen (morgens und abends) nicht immer mit den höchsten PM2.5-Werten übereinstimmen. Obwohl zwischen 6 und 18 Uhr ein höheres Verkehrsaufkommen herrscht, nimmt die Feinstaubkonzentration am Mittag ab und steigt erst am Abend wieder an. Dies spricht dafür, dass der Verkehr nicht der einzige Einflussfaktor für die Luftqualität ist. Auch die meteorologischen Bedingungen und andere Faktoren spielen eine wichtige Rolle. 

 

Das Forschungsprojekt untersuchte allerdings nur Feinstaubpartikel und keine anderen Schadstoffe wie Stickoxide (NOx) oder Kohlenmonoxid (CO).

 

Verkehr und Lärm

Die beiden Grafiken zeigen den Zusammenhang zwischen dem Verkehrsaufkommen und dem Lärmpegel auf verschiedenen Strassenabschnitten in der Stadt Freiburg. Während der Verkehrsspitzen, insbesondere zwischen 7 und 18 Uhr, steigt die Verkehrsdichte stark an, ebenso wie die gemessenen Lärmemissionen. Diese parallele Entwicklung deutet darauf hin, dass der Strassenlärm direkt von der Verkehrsdichte beeinflusst wird, wobei die Lärmspitzen mit den Zeiten des Verkehrsaufkommens übereinstimmen.

 

Feedback der Bevölkerung

Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h hat verschiedene Reaktionen hervorgerufen: Die Mehrheit der Menschen, die in der Nähe der betroffenen Strassenabschnitte wohnen, zeigt sich zufrieden mit der Massnahme, während andere Vorbehalte äussern. Zahlreiche Anfragen um Ausweitung des Tempolimits und eine Petition gegen die Massnahme spiegeln diese Meinungsvielfalt wider.

 

Studie der Städtekonferenz Mobilität 2025

 

Eine kürzlich von der Städtekonferenz Mobilität (SKM) in Auftrag gegebene und vom Institut gfs.bern durchgeführte Studie befragte 1281 Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Freiburg zu ihren Gewohnheiten und Wahrnehmungen in Bezug auf die städtische Mobilität. 

 

Die Ergebnisse zeigen eine breite Zustimmung zu niedrigen Geschwindigkeiten in der Stadt: Fast 70 Prozent der Personen, die an einer Strasse mit Tempo 30 oder in einer Begegnungszone (20 km/h) wohnen, beurteilen die Geschwindigkeitsbegrenzung als «genau richtig», während etwa 8 Prozent die erlaubte Geschwindigkeit sogar noch für zu hoch halten. Umgekehrt sind in Strassen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h etwa 40 Prozent der Anwohnerinnen und Anwohner der Meinung, dass die erlaubte Geschwindigkeit zu hoch ist.

 

Neue Anfragen

 

Die allgemeine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 km/h führte zu zahlreichen Anfragen, die Massnahme auch auf andere Stadtteile auszuweiten. Dies zeugt von einem wachsenden Interesse an einer ruhigeren Stadt.

 

 

Petition gegen die Massnahme

 

Am 22. März 2024 wurde eine Petition gegen die Massnahme eingereicht. Eine Analyse zeigt, dass die Mehrheit der Unterzeichnenden nicht in Freiburg wohnt. Dabei wurde diese Massnahme eingeführt, um die Lebensqualität der Einwohnerinnen und Einwohner zu verbessern.

 

Verkehrssicherheit

Die Entwicklung der Unfallzahlen von 2018 bis 2024 auf der Grundlage der vollständigen Jahre wurde anhand der von der Freiburger Kantonspolizei bereitgestellten Daten analysiert. Die Jahre 2020 und 2021 wurden aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie ausgeschlossen, ebenso wie Unfälle auf Privatgrundstücken oder bei Parkmanövern. Die Analyse bezieht sich auf die Gesamtzahl der Unfälle sowie deren Schwere (Leichtverletzte, Schwerverletzte, Todesfälle) in Abhängigkeit zur signalisierten Geschwindigkeit.

 

Die Gesamtergebnisse zeigen, dass die Zahl der Unfälle im Jahr 2024 im Vergleich zu den Vorjahren tendenziell sinkt und auch die Schwere der Unfälle abnimmt. Diese Entwicklung deutet auf einen positiven Trend hin, der möglicherweise mit der Einführung der neuen Geschwindigkeitsregelung zusammenhängt.

 

Entwicklung der Anzahl Unfälle

 

 

Entwicklung der Unfälle nach Schwere

 

 

Entwicklung der Unfälle nach Geschwindigkeit

 

 

Schwere der Unfälle nach Geschwindigkeit

 

Fahrzeit – öffentliche Verkehrsmittel

Die Freiburger Verkehrsbetriebe (TPF) haben zwischen dem 2. Oktober und Mitte November 2023 eine wöchentliche Analyse der Pünktlichkeit der Busse auf allen Linien der Agglomeration durchgeführt. Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h wirkt sich nur in sehr geringem Masse auf die Buslinien aus und führt zu einer leichten Erhöhung der Fahrzeit. Dieser Anstieg ist jedoch minimal und konnte in der aktuellen Fahrplangestaltung aufgefangen werden. Es mussten keine zusätzlichen Fahrzeuge eingesetzt werden, um diese Änderungen auszugleichen.

 

Wirksamkeit der Geschwindigkeitsanzeigetafeln

Die mittlere Geschwindigkeit (V85), die von in die Fahrbahn integrierten, diskreten Sensoren von Mai bis Juni 2024 gemessen wurde, wurde mit den Geschwindigkeiten verglichen, die von Geschwindigkeitsanzeigetafeln über denselben Zeitraum aufgezeichnet wurden.

 

Dank der Anzeigetafeln ist eine durchschnittliche Geschwindigkeitssenkung von 12 Prozent zu beobachten.

 

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Geschwindigkeitsanzeigetafeln wirksam sind, um Autofahrerinnen und Autofahrer dazu zu bringen, langsamer zu fahren – und das zu geringen Kosten von 5000 Franken pro Gerät.

 

Fahrzeit – motorisierter Individualverkehr

Um die Veränderungen der Fahrzeit und der mittleren Geschwindigkeit (V85) im motorisierten Individualverkehr (MIV) zwischen 6 Uhr und 22 Uhr zu analysieren, wurde eine 8,5 km lange Strecke festgelegt. Verglichen wurden zwei Zeiträume von jeweils zwei Monaten, ohne Grossbaustellen und Wochenenden: Januar bis März 2023 für die Daten vor der Geschwindigkeitsreduzierung und Januar bis März 2025 für die Daten nach Einführung der Massnahme. Die Analyse, die auf den vom Unternehmen TomTom gesammelten Geolokalisierungsdaten basiert, zeigt einen leichten Anstieg der Fahrzeit für die gleiche Strecke.

 

Verkehrsaufkommen in der Stadt – motorisierter Individualverkehr

Um die Entwicklung des Verkehrsaufkommens in der Stadt zu beurteilen, wurde der durchschnittliche Tagesverkehr (DTV) in die Stadt hinein und aus der Stadt heraus auf acht Hauptverkehrsachsen mithilfe automatischer Zählsysteme gemessen. Die Vergleiche wurden über identische Zeiträume von zehn Tagen durchgeführt, entweder im September 2023 und 2024 oder im April 2023 und 2024, je nach Verfügbarkeit der Daten für jeden Standort.

 

Die Ergebnisse zeigen einen leichten Rückgang des Verkehrsaufkommens um 2 Prozent. Abweichungen von bis zu 15 Prozent werden als Teil der üblichen Schwankungen im Strassenverkehr betrachtet.

 

Passagierzahlen – öffentliche Verkehrsmittel

Entwicklung der Passagierzahlen – Buslinien 1, 2, 3, 5 und 6

 

Die TPF haben die Passagierzahlen für die Linien 1, 2, 3, 5 und 6 für die Jahre 2023 und 2024 vorgelegt.

 

Auswertung von Verkehrsverlagerungen

In der Stadt besteht die Sorge, dass bestimmte Streckenabschnitte, auf denen die Geschwindigkeit noch nicht auf 30 km/h reduziert wurde, für Autofahrerinnen und Autofahrer attraktiver werden. Tatsächlich können diese «schnellen» Strassen von einigen Verkehrsteilnehmenden bevorzugt genutzt werden. Um dieses Umfahrungsphänomen in den Quartieren einzudämmen, hat die Stadt Freiburg in den letzten Jahren bereits versenkbare Poller in einigen Wohnvierteln aufgestellt. So soll verhindert werden, dass diese Bereiche als Abkürzungen genutzt werden

 

Der durchschnittliche Tagesverkehr (DTV) wurde über Zeiträume verglichen, die je nach Standort variieren, sich aber immer auf dieselben zehn Tage pro Standort vor und nach der Einführung von Tempo 30 beziehen. Dabei wurden zwei Jahre zwischen 2022 und 2025 verglichen, je nachdem, welche Daten für die jeweilige Messstation verfügbar waren.

 

Die Analysen zeigen, dass auf den Achsen, die seit der Einführung von Tempo 30 attraktiver erscheinen könnten, kein signifikanter Anstieg des Verkehrsaufkommens zu verzeichnen war.

 

Auswertung nach Messstation

Die Analyse der Daten von neun Messstationen in der Stadt Freiburg ermöglichte eine detaillierte Bewertung der Auswirkungen von Tempo 30 auf die folgenden Schlüsselindikatoren: Lärm, Geschwindigkeit, durchschnittlicher Tagesverkehr (DTV), Fahrzeit und Verkehrsfluss.

 

Die Lärmmessungen wurden mithilfe von Dosimetern in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg (HEIA-FR) durchgeführt. Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, wurden für die Analyse nur die regenfreien Stunden herangezogen (Daten der Agrometeo-Station in Düdingen), da Regen die Lärmpegel stark beeinflusst. Die akustischen Daten wurden dann mithilfe des von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) entwickelten Berechnungsmodells StL86+ verarbeitet, um speziell den Effekt der Geschwindigkeitsreduktion zu isolieren. Der durchschnittliche Lärmpegel wurde nach den Standards der Eidgenössischen Lärmschutz-Verordnung (LSV) berechnet, wobei zwischen Tag (6–22 Uhr) und Nacht (22–6 Uhr) unterschieden wurde.

 

Die mittlere Geschwindigkeit (V85) und der durchschnittliche Tagesverkehr (DTV) wurden mithilfe von fest installierten oder mobilen Strassenverkehrszählern erfasst. Die Messungen wurden ausserhalb der Schulferien in vergleichbaren Zeiträumen vor und nach der Umsetzung der Massnahme durchgeführt, verteilt auf Frühling, Sommer oder Herbst, je nach technischer Verfügbarkeit an jedem Standort.

 

Der Verkehrsfluss und die Fahrzeiten wurden anhand von TomTom-Geolokalisierungsdaten analysiert, die über einen Zeitraum von zwei Monaten (werktags zwischen 6 und 22 Uhr) gesammelt wurden, ausgenommen waren Zeiten grösserer Baustellen.

 

Mithilfe dieser Methodik lässt sich ein repräsentativer Überblick über die Auswirkungen von Tempo 30 auf den Verkehr gewinnen. Die spezifischen Ergebnisse für jeden einzelnen Standort sind nachfolgend verfügbar. 

 

 

Standorte der Messstationen